Zukunftsweichen für Kleinmachnow
Geschichte Kleinmachnow | |
Dr. Gerhard Casperson | |
Telefon: | 03 32 03/2 40 02 |
Zwischen den Stühlen der Geschichte
Stand: Oktober 2016
Es braucht nicht viel, um zwischen die Stühle zu geraten. Schwer ist es aber, dabei nicht zerrieben zu werden.
Dr. Gerhard Casperson, der sich seit der Wende maßgeblich fürs moderne Kleinmachnow engagierte, hat derart leidvolle Erfahrungen gemacht.
Er stammt aus Riga, wo er mit seiner Familie gerne geblieben wäre, schließlich war der Vater dort beliebter Lehrer am deutschen Gymnasium: „Allerdings hatte Hitler mit Stalin vereinbart, dass die baltischen Republiken Interessengebiet der Sowjetunion werden. Nach der Besetzung Polens im September 1939 wurden die Deutschen aus den Baltischen Staaten in das ehemalig polnische Gebiet, das als Reichsgau Wartheland dem Deutschen Reich angegliedert wurde,
umgesiedelt.“
Schauriger Einzug .
„Noch heute habe ich vor
Augen, wie wir in ein Haus eingewiesen wurden, wo das
Feuer im Ofen brannte und die Stehuhr noch schlug. Die
ursprünglichen Bewohner
waren Juden. Sie waren wohl kurz vorher abgeholt worden. Es war klar, was mit ihnen
passieren würde.“
Noch heute schaudert es den mittlerweile 87-Jährigen, wenn er an dieses Unrecht zurückdenkt. Im letzten Kriegsjahr 1945 landete die Familie nach Flucht und Bombennächten in Potsdam.
„Wir waren Flüchtlinge im eigenen Land. Ich kann gut nachvollziehen, wie sich Asylbewerber heute bei uns fühlen“, ist seine Erfahrung. Der Beruf brachte ihn erst ins „Institut für Faserforschung“ nach Teltow. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftler am „Institut für Pflanzenschutzforschung“ in Kleinmachnow. Mit der Wende stellte man ihm „den Stuhl vor die Tür“.
Gegen den Strom
Dabei war er alles andere als ein braver Parteisoldat, sondern hatte sich in der Evangelischen Kirche und ab Oktober 1989 in der Bürgerbewegung in Kleinmachnow engagiert. Am 6. Mai 1990 wurde er bei der ersten freien Kommunalwahl in die Gemeindevertretung gewählt. Im Umweltausschuss konnte er sich für den Natur- und Umweltschutz einsetzen. Damit bekam er die Chance, wichtige Zukunftsweichen für die Gemeinde, in der er seit 60 Jahren lebt, zu stellen.
Mit einer Arbeitsgruppe mit
20 Personen wurden in
ABM-Projekten die Grundlagen zur Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten erbracht und danach entsprechende Gutachten erstellt. Auf Grund dieser Vor-arbeiten konnte das Naturschutzgebiet Bäketal und das Landschaftsschutzgebiet Parforceheide amtlich festgesetzt werden. „Wir haben heute eine Grünverbindung vom Bäkepark in Steglitz über den Gutspark in Lichterfelde, Kanalaue in Teltow-Seehof bis zum Griebnitzsee mit Anschluss an die Potsdamer Schösser und Seenlandschaft. In Nord-Südrichtung gibt es einen Grünzug vom Grunewald über den Buschgraben zum Bäketal und vom Düppeler Forst über den Dreilindener Wald zur Parforceheide und bis zum Nuthe-Nieplitz-Gebiet.“
Grünverbindung nach Berlin
„Damals wurden die Weichen für die heute sehr beliebten Rad- und Wanderwege gestellt“, blickt Kleinmachnows „Grüner vom Dienst“ zurück.
Er wurde nämlich bald darauf Naturschutzbeauftragter des Kreistags, dem er ebenso lange Jahre angehörte wie der Gemeindevertreterversammlung von Kleinmachnow.
Ohne Kinder im Kita-Ausschuss
„Trotz meines Alters war ich im Kita-Ausschuss“, wundert er sich immer noch. Dabei
blieb seine Ehe mit Ingrid Casperson
in den bald 60 Jahren kinderlos.
Dr. Gerhard Casperson kennt Kleinmachnows Bäume persönlich.
„Wir haben den Standort von jedem Baum bestimmt und Höhe, Dicke und Gesund-heitszustand erfasst. Außerdem wurden alte Eichen auf öffentlichen und privaten Grundstücken in gleicher Weise bearbeitet. Man kann es kaum glauben, dass es davon über 600 Exemplare gibt, die einen Umfang über zwei Meter aufweisen!“
Persönliche Auszeichnung
Trotz dieser vielfältigen Weichenstellungen war der rüstige Rentner, der trotz
seiner 87 Jahre noch jugendlich frisch mit dem Fahrrad
unterwegs ist, völlig überrascht, als ihn ein Anruf aus der Staatskanzlei erreichte, ob er am 4. Mai 2016 zu einer Ordensverleihung kommen könne. „Ich dachte, dass muss ‚Versteckte Kamera‘ sein!“
Heute ist er stolz, dass ihm Ministerpräsident Dietmar Woidke persönlich im Auftrag von Bundespräsident Joachim Gauck
die „Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ anheftete.
„Ich war von der sehr persönlichen Laudatio äußerst gerührt.“ Ausnahmsweise war er mal nicht zwischen die Stühle geraten, denn über diese verdiente Würdigung freute sich mit ihm jeder in Kleinmachnow!